Die Anfänge des „Bauhauses“ in Weimar
In einem Vertrag vom 1.April 1919 beauftragt das „Hofmarschallsamt zu Weimar ... unter Zustimmung der Republikanischen provisorischen Regierung von Sachsen-Weimar-Eisenach“ den Berliner Architekten Walter „Gropius mit der Leitung der Hochschule für bildende Kunst einschließlich der ehemaligen Kunstgewerbeschule“, die zwölf Tage später in „Staatliches Bauhaus“ umbenannt wurde. Unterzeichnet hat den Vertrag Hugo Freiherr v. Fritsch, letzter Oberhofmarschall des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach.
Wie nun kam der führende Repräsentant der alten Hofgesellschaft - immerhin ein halbes Jahr nach dem Ende der Monarchie - dazu, jenen Mann zu berufen, der aus dieser Stellung heraus einer der einflussreichsten kunst-, architektur- und designgeschichtlichen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts den Weg ebnen sollte? Ein Brief Walter Gropius’ an die „Hochgeehrte Exzellenz“ vom 31.Januar 1919 gibt einen gewissen Aufschluss: Gropius hatte sich seit einiger Zeit nicht unberechtigte Hoffnungen machen können, in die genannte Stellung berufen zu werden. „Ich habe aber nicht erfahren können,“ schreibt er am 31.01.19 an Hugo Freiherr v. Fritsch, „in der Hand welcher Persönlichkeit die Entscheidung nach der Revolution liegt.“ Eine dezente Umschreibung für die Wirren des revolutionären Umbruchs nach dem Ende des Ersten Weltkrieges! Was lag näher, als sich an eine allseits geachtete Persönlichkeit zu wenden, die - wie der Vertragstext beweist - offensichtlich auch das Vertrauen der neuen Machthaber genoss und bereit war, dem Gemeinwohl auch unter sehr veränderten Umständen solange zu dienen, bis das öffentliche Leben in neue geordnete Bahnen zurückkehrte.
So zog Hugo Freiherr v. Fritsch Erkundungen ein, ob Gropius für die Stelle geeignet sei und verhandelte schließlich direkt mit ihm in Weimar. „Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog ist von der beabsichtigten Berufung des Herrn Gropius nicht Kenntnis gegeben worden“, vermerkte Hugo Fritsch in einer späteren Aufzeichnung - obgleich zwischen dem großherzoglichen Hause und der Hochschule zunächst noch erhebliche rechtliche und materielle Beziehungen bestanden! Hugo Freiherr v. Fritsch legte andererseits jedoch Wert darauf, dass Gropius sich mit dem Vorsitzenden der provisorischen Regierung verständigte, was geschah.
Bereits zu Beginn des Jahres 1919 war deutlich geworden, dass Hugo Freiherr v.Fritsch sich auch unter veränderten politischen Bedingungen für das Gemeinwohl verantwortlich fühlte, bis eine neue Ordnung fest etabliert war: Als die Nationalversammlung Anfang Februar 1919 aus Berlin nach Weimar auswich, um ihre Beratungen für eine neue deutsche Verfassung nicht unter dem Druck der Straße durchführen zu müssen, war es ebenfalls Hugo Freiherr v.Fritsch, der sicherstellte, dass dem Verlangen der Nationalversammlung, im großherzoglichen Hoftheater tagen zu können, ohne Komplikationen Rechnung getragen wurde. |