Numismatische Sachzeugen zum wirtschaftlichen Aufschwung und zur kulturellen Blüte Sachsens in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts
Bene Merentibus - Thoralf am Mihr
In zahlreichen deutschen Regionen setzte sich im letzten Drittel des 18. und im frühen 19. Jahrhundert im Hinblick auf die Beurteilung des wirtschaftlichen Entwicklungsstandes eine Arbeitsteilung durch, die über die Selbstversorgung hinaus ging. Diese vorindustrielle Zeit der vermehrten Produktion gewerblicher Güter, die über den lokalen Bedarf hinausging, trifft in besonderem Maße auf das Kurfürstentum Sachsen zu, schritt doch hier die wirtschaftliche Entwicklung überdurchschnittlich weit fort. Als Folge der ersten beiden Schlesischen Kriege (Kriegshandlungen zwischen 1740 und 1745) erreichte die Misswirtschaft im Kurfürstentum Sachsen ihren Höhepunkt. Seit der Regierungszeit Friedrich Augusts I griff man deshalb auf bedenkliche Methoden zurück, um den Staat zu finanzieren. Es wurden Staatseinkünfte verpfändet, staatliche Monopole an einzelne Unternehmer verliehen. Anleihen im Ausland gezeichnet und sogar einzelne Landesteile wie Ämter im Grenzbereich in benachbarte Staaten verpfändet oder wiederverkäuflich veräußert. Als schließlich die Generalkonsumtionsakzise als wichtigste Steuereinnahmequelle verpachtet wurde, geriet der sächsische Hof schließlich zum Tummelplatz von Projektemachern und Glücksrittern und die Staatsschulden wuchsen ins Unermessliche. Im Zuge des Siebenjährigen Krieg begannen preußische Truppen Ende August 1756, das albertinische Sachsen mit 70000 Soldaten zu besetzen. Dieser Einmarsch diente dem preußischen König Friedrich II, um einem gemeinsamen Vorgehen aller seiner Gegner zuvorzukommen. Im Verlauf der verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen nur anderen europäischen Mächten wurde das sächsische Territorium verwüstet und ausgeplündert und brachte das Land zwischen 1757 und 1763 in arge Bedrängnis. Kurfürst Friedrich August II war der Kriegspolitik mit allen seinen Auswüchsen nicht gewachsen. Dazu kam, dass er sich stets unter der scheinbaren Wahrung seiner Autorität von seinem mächtigen Kammerpräsidenten und späteren Premierminister und Vorsitzenden aller wichtigen Landeskollegien Heinrich Graf von Brühl (1700- 1763) leiten ließ. Riskante Außenpolitik, Korruption, Günstlingswirtschaft und persönliches Macht- und Gewinnstreben zerrütteten sowohl des Staatswesen als auch die Staatsfinanzen und gaben der „Ära Brühl!” ihren Namen.
Die Kriegskosten beliefen sich nach Schätzungen auf ca. 250 bis 300 Millionen Taler. Zerstörungen in Dresden, Zittau und Wittenberg, Viehsterben, Seuchen, Vernichtung bäuerlichen Inventars und landwirtschaftlichen Geräte kamen hinzu. Die Bevölkerung des Landes verringerte sich um etwa 8%.
Hohe Kriegsentschädigungen mussten entrichtet werden, um die harten Bedingungen des Friedens zu erfüllen, die im Jagdschloss Hubertusburg am 15. Februar 1763 unter anderen das siegreiche Königreich Preußen dem unterlegenen Kurfürstentum Sachsen diktierte. Während Preußen nun endgültig zu einer Großmacht europäischen Ranges aufstieg, spielte Sachsen von nun an auf der außenpolitischen Bühne keine Rolle mehr.
Aus, dieser nüchternen Erkenntnis heraus wurde im Kurfürstentum Sachsen am 15. April 1756 die "Restaurierungskommission" ins Leben berufen, die den Staat grundlegend erneuern sollte. Maßgeblich beteiligt an der Einberufung war der Sohn des Kurfürsten, der später Kurfürst Friedrich Christian (geb. 1722, gest. 1763). Nach seinem frühen Tod kam Prinz. Xaver, ein in französischen Diensten stehender Generalleutnant, als Regent für den minderjährigen Kurfürsten nach Sachsen, um das Land wieder zu wirtschaftlicher Blüte zu führen.
Die mit hohen Vollmachten ausgestatte Kommission, deren Mitglieder kräftige Männer aus dem Bürgertum waren, erarbeitete bis zum 5. August 1763 die Grundprinzipien des wirtschaftlichen Wiederaufbaues zur Gesundung des Landes. Die Maßnahmen des „Retablissements" verdienen nach den schweren Kriegsjahren und den harten Auflagen der Sieger besondere Beachtung.
Betrat man doch in vielen Vorhaben Neuland. Gegenstand der Erörterungen unter dem Vorsitz des Leipziger Buchhändlers und Großkaufmanns Thomas von Fritsch (1700 - 1775) waren unter anderem Probleme um die Wiederherstellung und Hebung der Landwirtschaft, die Lage der Seide und die Gleichstellung der französischen Kolonie in Leipzig mit den anderen Kaufleuten der Stadt und die Förderung des Handels und der Manufakturen.
Die Leitlinien sächsischer Politik fixierte der Kommissionsvorsitzende in seinen politischen Testament zehn Jahre vor seinem Tod. Prämissen in der Innenpolitik lagen demnach in der gegenseitigen Achtung und Toleranz zu Fragen der Religion sowie in einer geordneten Führung des Staatshaushaltes. Das aufwendige Militärwesen sowie die bisher verschwenderische Hofhaltung sollte den Möglichkeiten des Staates angepasst werden. Die Außenpolitik setzte auf ein einvernehmliches Verhältnis zu Preußen. Österreich, England und Frankreich sowie auf einen Verzicht auf die polnische Königskrone ab dem 5. Oktober 1765 nach dem Tod des Kurfürsten Friedrich August II
Die Ausrichtung der inneren Verwaltung stand ganz im Zeichen auf die Bedürfnisse von Handel, Ackerbau, Gewerbe und Verkehr. Umsatz- und Verbrauchssteuereinnahmen sollten in die Generalhauptkasse wandern, damit nach den nachhaltigen Auswirkungen der Ausbringung von minderwertigem Geld die Prägung guthaltiger Münzen möglich wurde. König Friedrich II von Preußen übertrug bekanntlich die Münzprägung nach der Besetzung Sachsens dem Kaufmann Itzig Ephraim, der in Leipzig mit vorgefundenen Stempeln mit der Jahreszahl 1753 große Mengen äußerst geringhaltige Münzen prägen ließ. Allmählich ging die Münzverschlechterung so weit, dass die Mark Silber (gemeint ist die Kölner Mark als Gewichtseinheit zu 233.85g Silber) statt zu 14 Talern schließlich bis zu 45 Talern ausgebracht wurde. Diese geringhaltigen, hauptsächlich in 8- und 4-Groschenstücken bestehenden Münzen erhielten den Spottnamen Ephraimiten.
Von zentraler Bedeutung war auch die Regelung der Kreditvergabe und damit des Aufbaus eines anfangs noch bescheidenen Bankwesens. Allmählich kam es zur Gründung von Commerz-, Leih- und Wechselbanken, die sich als Privatbanken auch überregional organisierten. Angeregt und später ausgeführt wurde die Einrichtung einer Prämienkasse zur Gewährung finanzieller Hilfe für Unternehmer.
Um die hohen Zielvorgaben zu erreichen, erfuhren die Rechts- und Standesunterschiede im Land eine Milderung sowie ging man an den Abbau der noch aus dem Mittelalter stammenden Zunftprivilegien in den Städten. Neben einer Neuregelung der Ein- und Ausfuhrzölle förderte man die Manufakturen bei der Einführung neuer Arbeitsmethoden wie bei der Erzeugung von Eisen und Stahl aus Steinkohle. Anregungen für diese großangelegten Vorhaben kamen aus England unter König Georg III (1760-(820) aus dem Hause Hannover.
Auf der Grundlage dieser Grundsätze wurde im April 1764 die Landesökonomie-, Manufaktur- und Kommerziendeputation eingerichtet, die ohne unmittelbare Verfügungsgewalt als typisch merkantilistisches Element die Manufakturen, den Handel, die Fischerei. das Jagdwesen, die Forst- und Landwirtschaft sowie die Erziehung und den Unterricht überwachte. Diese Einrichtung, die bis 1831 bestand, trat jedes Jahr zweimal zur Messezeit in Leipzig zusammen und stand in engem Kontakt mit namhaften Repräsentanten der Wirtschaft. Weitere Vereinigungen von Kaufleuten, Landwirten, Handwerkern, Staatsbeamten. adligen und bürgerlichen Grundherrschaftsbesitzern unterstützten auf privater Basis den Wiederaufbau. Als zentrale Verwaltungsbehörde wurde 1782 das Geheime Finanzkollegium gegründet, das dem 1749 in Osterreich eingerichteten „Directorium in publicis et cameralibus“ ähnelte. Die Reorganisation der Kammer- und Finanzbehörden. die seit 1769 angestrengt wurde, war damit abgeschlossen.
Die Schaffung neuer Behörden und die Erweiterung bestehender Verwaltungseinrichtungen im Sinne des aufgeklärten Absolutismus diente auf vielen Gebieten staatlicher Beaufsichtigung den hohen Zielstellungen. So verbesserte das 1765 eingerichtete Sanitätskollegium das Gesundheitswesen und verhütete und bekämpfte auftretende Seuchen. Die Gründung der Bergakademie Freiberg im Jahre 1765, der Bergschule Freiberg im Jahre 1775, der Akademie der bildenden Künste in Dresden 1764 schuf neben den beiden Universitäten Leipzig und Wittenberg und anderen gegründeten und erweiterten Bildungsstätten gute Möglichkeiten für die allgemeine, berufliche, wissenschaftliche und künstlerische Ausbildung der Menschen im Land.
Der systematische Wiederaufbau war schon nach zehn Jahren so erfolgreich, dass der sächsische Staatshaushalt 1774 erstmals einen Überschuss von 380000 Talern erwirtschaftete. 1775 erzielten die Steuerscheine der Steuerkredit- und Staatsschuldentilgungskasse 87% ihres Nennwertes und stiegen bis 1798 auf 106%.
Laut Edikt vom 6. Mai 1773 begann das Kurfürstentum Sachsen als einer der ersten deutschen Staaten mit dem Druck und der Ausgabe von Papiergeld. Nach dem Vorbild der Wiener Banco-Zettel von 1759 gab das Land Kassenbilletts im Wert von 100, 50, 10, 5, 2 und 1 Reichstaler heraus. Das Inkurssetzen des Papiergeldes verpflichtete Sachsen, den aufgedruckten Betrag bei Vorlage des Billetts in entsprechendem Münzgeld auszuzahlen. Die neuen Kassenbilletts, die ursprünglich in Form von Schuldscheinen lediglich als Notgeld fungierten. wurden in kurzer Zeit immer beliebter, so dass pro Talerschein ein Aufgeld von sechs Pfennig erhoben werden musste. Durch die Begrenzung der Umlaufmenge der papiernen Kassenbilletts vermied man eine Überschreitung der Deckungsgrenze. Die Bürger begannen. neben dem gemünzten Edelmetall auch dem gedruckten Papier zu vertrauen.
Einen Aufschwung erlebte nach 1763 beispielhaft für Neuerungen in der Tierhaltung die Schafzucht in Sachsen, deren Erfolge auf die Einfuhr von 300 spanischen Merinoschafen zurückging. Durch planmäßige Zucht und Veredelung erreichte dieser Landwirtschaftszweig bald den ersten Platz in Europa.
Im Blick auf den Zeitraum zwischen 1763 und 1789 regierte Sachsen neben Preußen und Osterreich nach den Grundsätzen des aufgeklärten Absolutismus. Die Wirtschaftspolitik richtete sich nach der freien Konkurrenz gegen die monopolistische Begünstigung einzelner Unternehmer. Das sächsische Retablissement kam zustande durch Faktoren wie risikofreudiges und gewissenhaftes Unternehmertum. wissenschaftliche Vorleistung und nicht zuletzt Teilhabe und Unterstützung durch das einfache Volk. Tüchtige und kompetente Männer führten mit einem auf realistischer Analyse beruhendem Programm mit dein Willen zur Veränderung einen Umschwung auch gegen erhebliche Widerstände der Stände herbei. Allerdings kam es immer wieder zu verheerenden Hungersnöten als Folge von Missernten, so in den Jahren 1771/72, der viele Menschen zum Opfer fielen. Die Grundpfeiler sächsischer Wirtschaftspolitik bildeten dabei das Bergwesen. dessen Hüttenbetriebe umfangreich modernisiert wurden. der Gewerbefleiß und der Handel. Korrekturen in der Gesellschaft wurden unumgänglich, basierend in der Erkenntnis. dass am Ende des 18. Jahrhunderts die Gegensätze zwischen Obrigkeit und Untertanen eine Zuspitzung erfuhren. Das Prinzip des Merkantilismus, wonach die Erhöhung des Wohlstandes der Untertanen in direktem Verhältnis zur Steuerkraft des Landes stand, erhielt in den Jahren des Wiederaufbaus eine ausgefeilte Ausprägung.
Die in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts geschaffenen Medaillen legen Zeugnis von der Aufbauarbeit ab und entsprechen dem Kunststil der Zeit. Der bekannte Medailleur, Gemmen- und Stempelschneider Johann Leonhard Oexlein (1715- 1787), der zu den bedeutendsten Vertretern des zierlichen Rokokostils zählt und für verschiedene Auftraggeber arbeitete, schuf die Medaille von 1764 auf Sachsens Wohlstand.
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